Samstag, 30. Juli 2011

Unterwegs mit dem Bibliobus / Nicaragua in Zahlen Teil 3: Analphabetismus

Mit der Deutsch-Nicaraguanischen Bibliothek in Managua besuchen seit 1993 durchschnittlich taeglich mehr als 150 Kinder und Jugendliche die Bibliothek, um ihre Hausaufgaben zu machen, zu lernen, im Kindersaal zu lesen, zu basteln oder um zu spielen. Der Mangel an Schulbuechern in den nicaraguanischen Schulen wird in der Bibliothek ausgeglichen.

Neben den Haftanstalten in Granada, Matagalpa, Chinandega und das Frauengefaengnis „La Esperanza“ faehrt der Bibliobus auch zu doerflichen Gemeinden und Schulen. In den letzten Wochen habe ich die Gelegenheit ergriffen, die Arbeit des Bibliobusses vor Ort zu erleben: Ich war mit dem Buecherbus in der Haftanstalt und in 2 Schulen in der Naehe Granadas. Diese sind nicht weit entfernt, liegen jedoch weit abgelegen von der Strasse, die von Granada in die Hauptstadt Managua fuehrt. Der Weg ist eine Herausforderung, besonders in der Regenzeit ist er zeitweise auch fuer den Buecherbus unpassierbar. Die Schlagloecher und Unebenheiten dieser Strasse schneiden diese Doerfer und damit auch die Schulen von der Aussenwelt relativ ab. Umso wichtiger ist es daher, dass der Bibliobus diese Schulen aufsucht. 


Neben der Leselust und der Begeisterung der Kinder ist mir bei meinem Besuch besonders ein kleiner Junge aufgefallen: Er freute sich ebenfalls sehr ueber die Ankunft des Buecherbusses und hielt sich stets in der Naehe der Tuer auf, jedoch lieh er kein Buch aus.. Der Grund? Der Schueler ist bereits 10, kann jedoch immer noch nicht lesen.. Der Grund hierfuer? Er hat die meiste Zeit der Grundschule ausgesetzt bzw. aussetzen muessen, da er seinem Vater bei der Arbeit auf dem Land helfen musste.. Diese Geschichte ist leider kein Einzelfall.. Es ist das Gegenteil von Gerechtigkeit und Demokratie, wenn ein Kind, das lernen und lesen moechte, dies nicht tun kann. Jedoch beschraenkt die Armut in Nicaragua vielen Mensche auf das jetzige Ueberleben.
Fuer mich war diese Begegnung das erste Mal, dass ich mit dem Analphabetismus in Nicaragua direkt in Kontakt kam.


Der Kampf gegen den Analphabetismus in Nicaragua ist gepraegt von wechselnden Erfolgen und Niederlagen.. Der Analphabetismus konnte mit der Hilfe von etwa 100.000 Alphabetisatoren waehrend der Kampagne in 1980 (Alphabetisierungswelle nach dem Sturz der Somoza-Diktatur) auf rund 13 Prozent reduziert werden. Etwa 500.000 Menschen lernten in diesem Zeitraum Lesen und Schreiben. Somit konnte der Analphabetismus waehrend der ersten sandinistischen Regierungszeit (1979-1990) von mehr als 50 Prozent (auf dem Land betrug diese sogar ueber 70 Prozent) auf 12,5 Prozent reduziert werden.
Jedoch waren 2006 wieder etwa 23 Prozent der Bevoelkerung ueber 15 Jahren Analphabeten. Laut dem Deutschen Entwicklungsdienst lag die Analphabetismusquote sogar bei 33%.. Auch ohne diese (weitaus hoehere) Schaetzung lag Nicaragua weit ueber dem Durchschnitt von 10% in Lateinamerika.
Lesen und schreiben zu koennen bietet jedem Menschen mehr Freiheit, Emanzipation, Unabhaengigkeit und damit auch Demokratie. 


Gemaess dem Slogan der amtierenden FSLN unter Daniel Ortega "Kein Analphabetismus, keine Arbeitslosigkeit, kein Hunger" sowie mit kubanischer und venezolanischer Hilfe wurde daher das Alphabetisierungsprogramm "Yo Si - Puedo" (Ja, ich kann es) umgesetzt. Die Kampagne begann 2005 und konnte bis Mitte 2007 bereits eine Erfolg aufweisen: Mehr als 125.000 Menschen wurden in der dieser Zeit alphabetisiert. Sie richtet sich ausschließlich an Menschen, die das 15. Lebensjahr bereits abgeschlossen haben. Die Erklaerung von Ortega, dass der Anteil der erwachsenen Bevoelkerung, der weder lesen noch schreiben kann, von 21 auf 3,56 Prozent (2010) gesunken sei, wurde auch von der Organisation der Vereinten Nationen fuer Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) bestaetigt. Nach deren Kriterien gilt ein Staat als frei von Analphabetismus, wenn die Quote unter vier Prozent der Bevoelkerung sinkt. 


Trotz der bisherigen Erfolge gibt es weiterhin ausreichend Arbeit: In den beiden autonomen Gebieten der Karibikkueste RAAN (Nord) und RAAS (Sued) naemlich war Analphabetenrate noch ueberdurchschnittlich hoch. Im Gebiet RAAN konnte die Quote bis 2010 sogar auf 10% gesenkt werden - Dank 500 Studenten, die sich vor dem abwechselnden Kurseinsatz zunaechst die lokalen indigenen Sprachen erlernen mussten, damit ihre Schueler in ihrer Muttersprache lesen und schreiben lernen konnten. 


Das naechste Ziel der Kampagne ist die suedliche autonome Provinz RAAS, in welcher die Indigene bisher ebenfalls keinen Zugang zum Bildungssystem hatten.
Diese Anstrengungen werden auch international honoriert: Die Anstrengungen Nicaraguas werden auch international honoriert. "Trotz der chronischen Armut im Land haben seit 2008 mehr als 400.000 Einwohner lesen und schreiben gelernt" (UNESCO).





 






Quellen:
http://www.bpb.de/themen/A8VLRJ,0,0,Nicaragua_heute:.html
http://www.schattenblick.de/infopool/medien/altern/marx-458.html
http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Nikaragua/alphabet.html 
http://www.blickpunkt-lateinamerika.de/hintergrund/msgf/nicaragua%3A_alphabetisierung_dringt_in_urwaldregionen_vor.html
http://www.bibliobus.edu.ni

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